Im aktuellen System werden unternehmerische Entscheidungen meist unter ausschließlicher Berücksichtigung finanzieller Aspekte getroffen. Die sozial-ökologische Wirkung von Produkten und Produktionen werden dabei außer Acht gelassen, obwohl diese gesamtgesellschaftlich zu hohen Kosten führen. Da diese zurzeit kaum Eingang in den Preis von (landwirtschaftlichen) Produkten finden, sendet der Markt falsche Preissignale, die die wahren Kosten der Produktion nicht widerspiegeln. Die Folge: der Markt ist verzerrt und Produkte mit hohen sozial-ökologischen Kosten sind besonders günstig. Subventionen verzerren den Preis zusätzlich. Das kann nicht nur im Lebensmittelbereich beobachtet werden.
Die UN Food and Agriculture Organisation (FAO) schätzt die versteckten ökologischen Kosten konventioneller Lebensmittelproduktion auf jährliche 2,1 Billionen USD und versteckte soziale Kosten auf jährliche 2,7 Billionen USD.1 In Deutschland stehen den 21 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung der Landwirtschaft 90 Milliarden Euro an externe Kosten gegenüber. Die Kosten sind demnach viermal so hoch wie der Nutzen.2
Vor dem Hintergrund, dass Folgekosten nicht in Marktpreise einbezogen werden, berechneten Wissenschaftler*innen der Universität Augsburg 2018 die externen Kosten, die durch Umweltbelastungen – Stickstoff, Treibhausgase und Energieverbrauch – bei der Produktion von Lebensmitteln entstehen. Im Ergebnis zeigt sich, dass die höchsten externen Folgekosten und damit größten Fehlbepreisungen mit der Produktion konventionell hergestellter Produkte einhergehen. Ein 196 Prozent Aufschlag wäre für konventionelle tierische Produkte und ein 96 Prozent Aufschlag für konventionelle Milchprodukte notwendig. Selbst in dieser Berechnung sind nicht alle externen Effekte, wie die Folgekosten von Pestizideinsätzen eingepreist - die notwendigen Aufschläge lägen demnach noch höher.3 Die niedrigsten Aufschläge würden für Bio-Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs (6 Prozent) erfolgen.
Es gibt Lösungsansätze
Es gibt Initiativen und Projekte, die diese Fehlinformationen und Fehlallokationen zu beheben versuchen. Projekte wie True Cost Accocunting (TCA) und „Richtig Rechnen“ bemühen sich, symmetrische Informationen über landwirtschaftliche Produkte zur Verfügung zu stellen: Alle Konsument*innen sollen Zugang zu allen Informationen haben, welche zur Einschätzung der Nachhaltigkeit eines Produktes relevant sind. Am effizientesten lässt sich dies in der Einführung eines gerechten Preises umsetzen. Ein gerechter Preis beinhaltet Kosten für den Schaden an der Umwelt, der durch das Produkt entsteht und berücksichtigt Bemühungen um Nachhaltigkeit des Unternehmens.
True Cost Accounting (TCA) ist eine innovative Methode zur Berechnung von nicht erfassten Auswirkungen, welche Nahrungsmittel- und Landwirtschaftsunternehmen auf das Natur- und Sozialkapital haben – sogenannte Externalitäten. Diese Auswirkungen werden monetär berechnet, in Euro ausgedrückt und in die finanzielle Berichterstattung aufgenommen. Die „versteckten Kosten“ der unternehmerischen Aktivitäten, die im klassischen System noch externalisiert wurden, werden somit sichtbar gemacht und mit in die Bilanzen sowie Kaufentscheidungen einbezogen. Der Effekt ist eine Berücksichtigung von externen Effekten in Kauf- und Geschäftsentscheidungen. Als wichtiger Akteur in diesem Bereich ist Tobias Bandel zu nennen. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Christian Hiß, Demetergärtner und Vorstandsvorsitzender der Regionalwert AG. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit der Frage der Monetarisierung von Ökosystemleistungen. In seinem Buch Richtig Rechnen!, 2015 im oekom Verlag erschienen, entwickelt er Überlegungen zu einer erweiterten, ökologisch-ökonomischen Finanzbuchhaltung, mittlerweile ergänzt um soziale Aspekte. Der Fokus liegt dabei auf land- und forstwirtschaftlichen Betrieben.
Beispiel: Integrierte Kosten-Nutzenrechnung landwirtschaftlicher Betriebe
2017 hat die GLS Bank gemeinsam mit der GLS Treuhand bei Soil & More eine Gesamtkostenanalyse durchgeführt, die die Erfolgsrechnung von drei biologisch bzw. bio-dynamisch wirtschaftenden Höfen und konventionellen Vergleichsbetrieben um wichtige soziale und ökologische Aspekte des landwirtschaftlichen Handelns ergänzt. Basierend auf den Richtlinien des Natural Capital Protocol wurden die Faktoren CO2-Emissionen, CO2-Bindung, Wasserverbrauch und -verschmutzung, Erosion, Bodenaufbau, Biodiversität, Energieverbräuche, Transport der Waren zum Verbrauchenden, Bildungsarbeit und Gesundheit in der Erfolgsrechnung der Betriebe berücksichtigt. Im Ergebnis erwirtschaften die Biobetriebe durchschnittlich einen positiven Nettonutzen in Höhe von rund 720 Euro pro Hektar, wohingegen die konventionellen Vergleichsbetriebe auf Nettokosten in Höhe von durchschnittlich 3.670 Euro pro Hektar kommen. Die bewertete Differenz zwischen den Bewirtschaftungsweisen liegt somit bei fast 4.400 Euro pro Hektar.
Bei einem so stark negativen Betriebsergebnis je Hektar wäre kaum noch ein konventioneller Landwirtschaftsbetrieb rentabel.4